Endometriose & Bewegung: Chiaras Weg zurück ins Körpervertrauen – ein Interview mit Chiara
Marianne: Als ich Chiara gefragt habe, ob sie bereit ist, ihre
Endometriose-Erfahrungen in einem Interview zu teilen, hat sie sofort gesagt: „Ja, mach ich.“
Sie weiß aus eigener Geschichte, wie sich ein Körper anfühlt, der jahrelang gegen
Schmerzen, Erschöpfung und Fehlbehandlungen ankämpft.
Und trotzdem – oder vielleicht gerade deswegen – spürt sie heute, wie wichtig
Bewegung bei Endometriose sein kann. Nicht als Leistung, sondern als Möglichkeit, wieder in Kontakt mit sich zu kommen.
Wir sprechen hier über echten Alltag: Krankenhausmonate, Diagnosen, Mama-Sein mit
Mental Load, die Frage, wie man funktionieren soll, wenn man drei Wochen im Monat Schmerzen hat.
Und darüber, wie Bewegung wieder Freude machen kann – in Chiaras Fall über das
Rebounding-Training, das ihr geholfen hat, ihr Körpergefühl zurückzugewinnen.
Dieses Gespräch zeigt, wie Sport bei Endometriose aussehen kann, wenn er nicht überfordert, sondern unterstützt.
Und vielleicht hilft es anderen Frauen, ihren eigenen Weg zu finden – Schritt für Schritt, auf ihre Art, in ihrem Tempo.
Interview
Marianne: Chiara, du hast einen langen Weg hinter dir. Magst du erzählen, wie dein Startpunkt damals war,
bevor du mit dem Training bei mir begonnen hast?
Chiara: Mein Start war echt heftig. Ich war frisch von einer einjährigen Hormoneinnahme –
plus 20 Kilo in einem Jahr. Davor ein Monat Krankenhaus wegen Darmverschluss und einer großen OP.
Das war mein Zustand, als ich das erste Mal zu dir kam. Du hast damals gesagt, du weißt nicht, ob ich das überhaupt probieren möchte.
Ich musste mit einem neuen Körpergefühl leben, mit 20 Kilo mehr.
Marianne: Du hattest da schon die Diagnose Endometriose, oder?
Chiara: Ja. Nach dieser großen OP hatte ich sie offiziell. Es ging mir davor schon lange schlecht.
Ich hatte acht Jahre Leidensweg hinter mir, bevor überhaupt jemand wusste, was los ist.
Die ersten Symptome kamen mit Anfang 20 – Übelkeit, Krämpfe, Erbrechen.
Ich bin trotzdem arbeiten gegangen, habe alles weitergemacht: Schmerzmittel, Alltag, funktionieren.
Marianne: Drei Wochen im Monat hattest du Beschwerden, hast du mal gesagt.
Chiara: Ja, ich wusste oft nicht, ob ich es heute schaffe oder nicht.
Mein Schmerzlevel war so hoch – wenn jemand das von null auf jetzt bekommen würde, würde der sagen,
das ist eine 15 auf einer Skala bis 10. Ich habe mich daran gewöhnt. Nach der Geburt meines Kindes dachte ich:
Diese Geburt war ein Klacks im Vergleich zu meinen bisherigen Beschwerden.
Marianne: Und in dieser Zeit – war Sport überhaupt möglich?
Chiara: Kaum. Und trotzdem: Wenn ich Sport gemacht habe, hat er mir immer ein gutes Gefühl gegeben.
Ich war in Kursen, habe mich durchgebissen. Das war auch hormonell eine kleine Erleichterung.
Trotzdem war Sport nie mein täglicher Begleiter. Als Jugendliche habe ich wenig gemacht.
Mit Anfang 20 war ich dann einmal wandern – damals mit meinem Freund, der bei der Bundeswehr war.
Wir sind zehn Stunden aufgestiegen, sechs abgestiegen. Ich habe oben geweint, weil es so ein Wahnsinnsgefühl war.
Danach ging es nie wieder, die Beschwerden wurden zu stark.
Marianne: Du hast Hashimoto, also eine Schilddrüsenunterfunktion. Hat das deine Einstellung zum Sport beeinflusst?
Chiara: Total. Früher dachte ich, ich muss mich pushen, bis nichts mehr geht.
Heute weiß ich: Das ist gar nicht das Ziel. Lieber regelmäßig, aber dosiert.
Das hat mir niemand erklärt. Ich habe das selbst gelernt.
Marianne: Wie war die ärztliche Betreuung damals – gerade in Bezug auf Endometriose?
Chiara: Ehrlich? Katastrophal. Ich habe ständig gehört:
„Nimm Schmerzmittel, stell dich nicht so an.“ Meine Gynäkologin – Privatpraxis, teuer –
hat nie das Wort Endometriose erwähnt. Es ging immer nur um die Pille wechseln, Symptome behandeln.
Auch Hausärzte haben nur auf Fieber, Krämpfe, Magen-Darm geschaut. Niemand hat nach der Ursache gesucht.
Marianne: Und irgendwann kam dann doch die Diagnose.
Chiara: Ja, 2017, durch eine explorative Bauchspiegelung.
Da wurde die Endometriose im Stadium 2 festgestellt. Sie haben gesagt:
„Versuchen Sie doch, schwanger zu werden“, und wieder zugenäht. Es wurde nichts entfernt.
Im November, nur ein halbes Jahr später, war ich Stadium 4 mit Darmverschluss. Eine riesige OP.
Hätte man früher gehandelt, hätte man vielleicht etwas Schaden begrenzen können.
Marianne: Und trotzdem wirkst du heute nicht verbittert.
Chiara: Nein. Ich sehe, dass sich etwas bewegt.
Gendermedizin wird ernster genommen, es gibt Fortbildungen, Austausch.
Frauen informieren sich online, holen sich Zweitmeinungen. Das ist wichtig.
Es ist aufwendig, kostet Zeit, Nerven und oft auch Geld.
Als Beispiel: Ich bin bis nach Köln und München gefahren, um den richtigen Arzt zu finden.
Und trotzdem: Ohne Schulmedizin geht es auch nicht. Man muss beides zusammenbringen.
Marianne: Wann kam der Moment, an dem Bewegung wieder Thema für dich wurde?
Chiara: Durch meine Nachbarin. Sie wollte nicht alleine zu dir und hat mich gefragt, ob ich mitkomme.
So bin ich zum Rebounding gekommen.
Marianne: Erinnerst du dich an deine erste Stunde auf dem Trampolin?
Chiara: Ja, total. Ich kannte das Trampolin nur mit dieser Stange – Jumping eben.
Ich konnte mir nicht vorstellen, wie das ohne gehen soll. In den ersten Stunden fühlte ich mich sehr instabil.
Ich glaube, man muss dieses Gefühl erst lernen. Ich würde allen raten: Gib dir Zeit.
Nach zwei, drei Mal ist es normal, dass man sich unsicher fühlt.
Deine Zehnerkarte finde ich dafür perfekt, weil man sich wirklich etwas Eingewöhnungszeit gönnen darf.
Marianne: Was hat dich nach einer Pause wieder motiviert, weiterzumachen?
Chiara: Das gute Gefühl. Ich war nicht fix und fertig, sondern hatte Energie.
Nach der Schwangerschaft wollte ich mich wieder spüren. Fitnessstudio war für mich schwierig –
zu viel Druck: zahlen, regelmäßig hingehen. Das passt für mich mit Kind und alles unter einen Hut bringen kaum.
Beim Rebounding freue ich mich auf jede Stunde, die ich schaffe.
Ich setze mich nicht unter Druck. Wenn es mal zwei Wochen nicht klappt, dann ist das so.
Ich freue mich einfach aufs nächste Mal.
Marianne: Was bedeutet dir diese eine Stunde nur für dich?
Chiara: Es ist meine Pause. Meine Zeit.
Beim Rebounding bin ich die ersten zehn Minuten noch im Kopf bei Haushalt, Arbeit, Kind –
und dann ist das weg. Der Kopf ist aus.
Wenn ich daheim trainieren würde, würde ich die Wäsche sehen, das Kind hören.
Bei dir im Kurs bin ich raus aus diesem Mental Load.
Marianne: Was merkst du körperlich durch das Training?
Chiara: Meine Balance ist besser.
Mein Beckenboden hat sich nach der Geburt natürlich verändert.
Wenn ich regelmäßig komme, merke ich das sofort. Wenn ich länger nicht da war, ist das Gleichgewicht schlechter.
Und das nach nur 45 Minuten pro Woche – das hält mich stabil.
Marianne: Du hast gesagt, dass du das Training anpasst, wenn es dir mal nicht gut geht.
Chiara: Ja, total. Ich erinnere mich an eine Stunde, da hatte ich starke Schmerzen, war kurz vorm Weinen.
Du hast einfach gesagt: „Mach’s so, wie es für dich passt.“
Das war so wichtig. Ich habe mitgemacht – auf meinem Level.
Wenn ich Kopfschmerzen habe, mache ich mehr Dehnübungen.
Ich bewege mich immer so, dass es mir gut tut.
Marianne: Das ist auch die Situation, in der viele Frauen zu mir sagen:
„Heute kann ich nicht, ich habe Kopfschmerzen, Rückenschmerzen, Zyklusbeschwerden.“
Ich lade dann oft ein: Komm trotzdem, probier es zehn Minuten.
Wenn es schlimmer wird, fährst du wieder heim.
Chiara: Ja, stimmt. Ich erinnere mich an einen Abend, da hatte ich Migräne und wollte eigentlich absagen.
Du hast mir geschrieben: „Komm, wenn du magst. Probier’s zehn Minuten, und wenn es schlimmer wird, fährst du einfach wieder.“
Und ich bin geblieben – bis zum Ende der Stunde.
Marianne: Genau das ist mir wichtig.
Du entscheidest, was heute geht. Wenn du Beschwerden hast, kannst du trotzdem kommen.
Du kannst einfach mitschwingen, atmen, dich nur leicht bewegen. Niemand muss alles mitmachen.
Manchmal reicht es, einfach da zu sein, das Nervensystem in Bewegung zu bringen
und den Körper in einen anderen Zustand zu holen.
Ich halte die Übungen bewusst offen, damit jede Frau sie anpassen kann –
ob bei Migräne, Rückenschmerzen oder stärkeren Tagen im Zyklus.
Es geht nicht um Leistung, sondern um Selbstwahrnehmung.
Chiara: Genau das spürt man in deinen Stunden.
Ich habe mich noch nie gedrängt gefühlt. Es ist, als würdest du jede Einzelne sehen.
Wenn du merkst, es geht jemandem nicht gut, sagst du automatisch: „Mach’s für dich, so wie es passt.“
Das habe ich verinnerlicht. Selbst wenn ich nur leicht mitschwinge oder ein paar Dehnübungen mache,
ist das mein Training. Es tut mir gut, weil es immer eine Variante gibt, die passt.
Marianne: Und das überträgt sich ja oft auf andere Bereiche im Leben.
Wer lernt, den eigenen Körper nicht zu übergehen, bewegt sich achtsamer – nicht weniger.
Chiara: Ja, das merke ich auch. Früher hätte ich gedacht: Entweder ganz oder gar nicht.
Heute weiß ich: Manchmal reichen zehn Minuten. Und wenn es gar nicht geht, ist das auch okay.
Marianne: Du hast viele Operationen hinter dir. Wie gehst du heute damit um,
wenn neue Behandlungen vorgeschlagen werden?
Chiara: Ich habe über zehn OPs hinter mir.
Ich lasse mir Zeit, höre auf mein Gefühl. Dieses Jahr wurde mir wieder eine Untersuchung
und eine mögliche OP vorgeschlagen.
Meine Ärztin – die ist großartig – hat mich gefragt: „Was wäre denn, wenn du dich jetzt wieder operieren lässt?“
Das hat mich innehalten lassen.
Ich nehme jetzt ein neues Medikament, das noch nicht lange auf dem Markt ist. Seit vier Wochen bin ich beschwerdefrei, und das fühlt sich gerade sehr gut an.
Marianne: Und Bewegung bleibt trotzdem ein Teil deines Weges.
Chiara: Absolut. In der Endometriose-Behandlung wird das Thema
Sport und Bewegung kaum angesprochen.
Und trotzdem weiß ich für mich, wie wichtig es ist. Bewegung, Ernährung, Selbstwahrnehmung –
das musste ich mir alles selbst erarbeiten.
Wenn ich zum Training komme, auch an schwierigen Tagen, gehe ich fast immer mit mehr Energie nach Hause.
Marianne: Chiara, magst du zum Schluss noch sagen, was du anderen Frauen mitgeben möchtest?
Chiara: Traut euch.